Auch wenn die Bundesregierung plant, den § 219a zu streichen, bleibt der Schwangerschaftsabbruch Teil des Strafgesetzesbuches. Wie bewerten Sie das?
Das ist ein wichtiger Schritt. Viele Ärzt*innen werden momentan von Abtreibungsgegner*innen verklagt, wenn sie auf ihren Internetseiten darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen.
Nun dürfen endlich dürfen Ärzt*innen, die Abbrüche machen, dies auf ihren Internetseiten oder an anderen Stellen benennen und weitergehende Informationen anbieten, zum Beispiel mit welchen Methoden sie Abbrüche durchführen.
Aber auch wenn es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist: der Schwangerschaftsabbruch steht weiterhin im Strafgesetzbuch bei den Tötungsdelikten.
Das AWO Lore-Agnes-Haus in Essen führt Schwangerschaftskonfliktberatungen durch. Vor welchen Hürden stehen Frauen in Essen, einen Schwangerschaftsabbruch auch tatsächlich durchzuführen?
In Deutschland müssen alle Frauen zu einer Pflichtberatung, bevor sie einen Abbruch durchführen lassen dürfen. In Essen gibt es insgesamt vier Beratungsstellen, die diese durchführen, wenn notwendig auch mit Übersetzung. Aber auch wenn wir in Essen nicht so kilometermäßig weite Wege haben, so sind doch einige Dinge zu absolvieren, bis man den Abbruch durchführen darf. So werden zum Beispiel die Kosten nicht automatisch von der Krankenkasse übernommen, sondern es muss ein Antrag gestellt werden.
Und immer wieder haben Frauen in besonderen Lebenslagen, ob ohne Krankenversicherung oder minderjährig, ob ohne Deutschkenntnisse oder weil sie die Schwangerschaft geheimhalten möchten oder müssen, dann Hürden zu nehmen, die sehr herausfordernd sind und ihnen Angst machen.
Welche Infrastruktur müsste in Essen vorgehalten werden, um Frauen in ihrem selbstbestimmten Leben und ihrer Familienplanung bestmöglich zu unterstützen?
Seit 2021 gibt es für bedürftige Frauen in Essen endlich einen Verhütungsmittelfonds. Verhütungsmittel werden in der Regel nicht als Krankenkassenleistung übernommen. Hier bedarf es endlich einer Regelung auf Bundesebene, denn kommunale Fonds können den Bedarf nicht decken.
Generell fordert die AWO am Niederrhein die Streichung des §218 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. Die Folge davon ist u.a. eine Tabuisierung des Themas – und die Tatsache, dass Frauen eben keine vollständigen reproduktiven Rechte haben, sondern einem Gebährzwang unterliegen. Mit der Abschaffung des §218 StGB würde auch die Pflichtberatung wegfallen.
Zudem wünsche ich mir, dass das Thema Schwangerschaftsabbruch einen höheren Stellenwert in der Facharztausbildung bekommt und wir viele junge Ärzt*innen haben werden, die Schwangerschaftsabbrüche als selbstverständlichen Teil ihrer Arbeit sehen.