Broschuere_FGM_C_web

15 14 Mittlerweile leben in Deutschland viele Menschen aus Regionen der Welt, die von weiblicher* Genitalbeschneidung betroffen sind. Viele sind nach Deutschland eingewandert und haben sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was ihnen passiert ist. Sie sind be- schnitten und empfinden dies als normal. In Deutschland ist es aber nicht normal, dass Mädchen* und Frauen* beschnitten werden. Im Gegenteil: viele Menschen hier – und auch in vielen anderen Län- dern der Welt – lehnen diese Tradition ab. Schon seit einigen Jahr- zehnten setzen sich übrigens auch beschnittene Frauen* dafür ein, die Praktik zu verbieten. Sie setzen sich für ein Verbot ein, da sie aus eigener Erfahrung wissen, dass es sich um eine Tradition handelt, die Mädchen* und Frauen* sehr schadet. Sie und andere Aktivist*innen haben mittlerweile schon viel erreicht, da die Praktik nahezu in allen Ländern der Welt verboten ist. Das bedeutet nur leider nicht, dass sich alle Menschen daran halten, da viele gar nicht wissen, dass weibliche* Genitalbeschneidung in ihrem Land verboten ist. Andere wiederum verstehen nicht, warum weibliche* Genitalbeschneidung verboten sein soll, da sie mit der Vorstellung groß geworden sind, dass der Eingriff sehr wichtig und sinnvoll ist. So kommt es, dass noch bis heute Mäd- chen* beschnitten werden. In Deutschland und allen anderen europäi- schen Ländern ist der Eingriff verboten, da er fast immer erhebliche, negative Folgen (siehe S. 10) für Mädchen* und Frauen* hat. Kinder gilt es besonders zu schützen, da sie dies in vielen Fällen noch nicht selbst können. Die Untersuchung der Genitalien im Rahmen der Vor- sorgeuntersuchungen hat daher nicht nur das Ziel die altersgemäße Entwicklung der Genitalien zu untersuchen, sondern ebenfalls den Schutz der Kinder vor sexuellen oder anderen gewalttätigen Über- griffen. Dies dient unter anderem der Prävention, da die verpflichten- den U-Untersuchungen Abschreckungswirkung haben und im Falle von Geschwisterkindern noch eingegriffen werden kann. 6. WARUM IST DIE TRADITION IN DEUTSCHLAND VERBOTEN? Da das traditionelle, durchschnittliche Beschneidungsalter im Auf­ nahmeland oft von dem Alter im Herkunftsland abweicht, tendenziell später stattfindet, sollten demnach präventiv alle Mädchen* und junge Frauen* bis zum 18. Lebensjahr in den Blick genommen werden. Weibliche* Genitalbeschneidung ist in Deutschland ein Verbrechen und wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren bestraft, wobei der Strafrahmen in Ausnahmefällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reicht, § 226a Strafgesetzbuch (StGB). Dies gilt auch, wenn der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt der Beschnittenen* in Deutschland liegt oder die*der Täter*in Deutsche*r ist. Wer eine weibliche* Beschneidung veranlasst oder unterstützt wird als Teil­ nehmer*in oder Mittäter*in ebenfalls bestraft. Gemäß § 78b StGB beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Vollendung des 30. Lebens­ jahrs der Betroffenen*. Eine Einwilligung in die weibliche* Beschneidung ist nach § 228 StGB nicht möglich, sodass selbst eine „freiwillige“ weibliche* Beschnei­ dung strafbar ist. Aber auch die Duldung der Beschneidung der eigenen Tochter* kann als Unterlassungsdelikt oder wegen Verletzung der Fürsorgepflicht geahndet werden. Von Beschneidung bedrohte Mädchen* können durch das Familien­ recht vor einer Ausreise mit Beschneidungsfolge geschützt werden. Das Umgangs- und Sorgerecht der Eltern kann hierfür eingeschränkt werden. Ansprechpartner*in bei drohender Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) ist das örtliche Jugendamt. Eine im Herkunftsland nachweislich drohende Genitalbeschneidung ist für asylsuchende Mädchen*ein Ausweisungshindernis i.S.d § 60 Abs.2 Aufenthaltsgesetz.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTI4Nzg0OQ==