Ehrenamtliche Vormundschaften in Theorie und Praxis
Ein Modellprojekt des AWO Bezirksverbands Niederrhein
Wer als Minderjähriger in Deutschland ohne elterliche Sorge lebt, weil zum Beispiel die Eltern verstorben sind, mit der elterlichen Sorge dauerhaft überfordert sind oder im Ausland leben, erhält einen Vormund. Dieser wird vom Familiengericht bestellt und setzt sich als rechtlicher Vertreter für die Belange und Interessen seines Mündels ein. In Deutschland gibt es vier Formen der Vormundschaft: die Amts-, die Vereins-, die Berufs- und schließlich die ehrenamtliche Einzelvormundschaft. Letztere ist dem Gesetz nach vorrangig. Denn bei einem ehrenamtlichen Vormund ist aufgrund seiner Motivationslage, so das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, „am ehesten eine familiär geprägte persönliche Beziehung zum Mündel zu erwarten“, außerdem ist es wahrscheinlicher als bei einem hauptamtlich beschäftigten Vormund mit bis zu 50 Mündeln, dass er seinen Mündel über die Schwelle der Volljährigkeit hinaus weiter begleitet. Vor diesem Hintergrund befasst sich der AWO Bezirksverband Niederrhein e.V. seit mehreren Jahren intensiv mit den Potenzialen und Grenzen der ehrenamtlichen Vormundschaft.
Als Reaktion auf den Zuzug zahlreicher junger Flüchtlinge im Winter 2015/2016 initiierte er das aus Mitteln der Aktion Mensch geförderte Modellprojekt „Vertrauenssache“. Ziel dieses in den Jahren 2016-2019 umgesetzten Projektes war die Gewinnung, Qualifizierung, Vermittlung und Begleitung ehrenamtlicher Vormunde für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. In Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen initiierte der Bezirksverband darüber hinaus ein im April 2021 startendes Forschungsprojekt, welches die spezifischen Potenziale und Grenzen der ehrenamtlichen Vormundschaften wissenschaftlich in den Blick nimmt.
Angesichts der am 26. März 2021 verabschiedeten und zum 01. Januar 2023 in Kraft tretenden Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, welche u.a. eine weitere Stärkung der ehrenamtlichen Vormundschaft vorsieht, ist das Thema auch von aktueller jugendpolitischer Relevanz. Die Arbeiterwohlfahrt setzt sich gemeinsam mit anderen Wohlfahrtsverbänden für eine Vielfalt im Vormundschaftswesen ein, denn nur diese ermöglicht, dass jedes Mündel den für ihn jeweils am besten passenden Vormund erhält.
Fachliteratur: "Ehrenamtliche Vormundschaften: Potenziale, Grenzen, Gestaltungsmöglichkeiten"
Bei der ehrenamtlichen Vormundschaft handelt es sich um ein besonders verantwortungsvolles, aber auch faszinierendes Ehrenamt. Was können ehrenamtliche Vormund*innen für ihre Mündel – ob mit oder ohne Fluchthintergrund – bewirken und was passiert, wenn das Mündel volljährig wird? Welche Verläufe nehmen ehrenamtliche Vormundschaften und wie können sie auf kommunaler Ebene professionell begleitet werden? Das Buch behandelt auf empirischer Grundlage praxisrelevante Fragen des Vormundschaftswesens. Es möchte dazu beitragen, die Potenziale der ehrenamtlichen Vormundschaft voll auszuschöpfen, ohne deren Grenzen zu verkennen.
Hier das von unserem Abteilungsleiter Jugendhilfe herausgegebene Fachbuch bestellen.
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