Absprachen, Gesicht und Stimmen waren 2024 einmal mehr dringend erforderlich. Denn die nordrhein-westfälische Landesregierung präsentierte im Sommer dieses Jahres einen Haushaltsentwurf, der Kürzungen im Sozialen um gut 83 Millionen Euro vorsieht. Gemeinsam mit den drei weiteren AWO Bezirksverbänden in Nordrhein-Westfalen und der Freien Wohlfahrtspflege in NRW wurde eine der größten Protestkundgebungen in der Geschichte Nordrhein-Westfalens organisiert. Gut 32.000 Menschen, darunter mehrere tausend AWOianer*innen, kamen auf der Rheinwiese am Düsseldorfer Landtag zusammen, um ihren Unmut gegen die geplanten Sozialkürzungen lautstark kundzutun. Allerdings ließ sich die NRW-Landesregierung von dieser Menschenmasse nicht beeindrucken und hielt an den unsozialen Sparmaßen fest. Umso wichtiger wird es für den NRW-Haushaltsentwurf 2026 bereits frühzeitig für den Erhalt der sozialen Infrastruktur mobil zu machen.
Auch wenn die Kindertageseinrichtungen nicht konkret von den Haushaltskürzungen der Landesregierung betroffen waren, ist die finanzielle und personelle Situation dort dramatisch. Wie viele andere Bereiche der Sozialen Arbeit sind auch die Kindertageseinrichtungen nicht auskömmlich finanziert. Bislang prallten alle Warnungen über die angespannte Situation in den Kindertageseinrichtungen an der Landesregierung ab und so kam es wie es kommen musste: Träger werden gezwungen ihre Angebote aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu reduzieren. Zunächst haben nur Eltern, Kinder und Mitarbeitende darunter gelitten. Nun ist die Zukunft der frühkindlichen Bildung in NRW gefährdet, wenn sich vor dem Hintergrund des ohnehin eklatanten Fachkräftemangels auch noch Träger aus der Ausbildung der Erzieher*innen von morgen verabschieden müssen. Gleichwohl hat die AWO am Niederrhein und in NRW nicht nur spitzenverbandlich vor der Situation gewarnt und eindringlich an die Landesregierung appelliert, ihrer Finanzierungsverantwortung mit einem neuen, auskömmlichen Gesetz nachzukommen. Zudem wurde mit dem Konzeptpapier „Kita neu denken“ der Landesregierung ein Instrumentenkoffer mit auf dem Weg gegeben, um eine verlässliche Kinderbetreuung bei gleichzeitig steigenden qualitativen Anforderungen in der frühkindlichen Bildung gewährleisten zu können. Die konkrete Ausgestaltung dieses Konzept wurde Ende 2024 auf einem Fachtag in Essen weiter konkretisiert.
Gleichwohl bereitet nicht nur die Zukunft der frühkindlichen Bildung Kopfzerbrechen. Auch andere Bereiche der Sozialen Arbeit stehen auf wackeligen Beinen. Beispielsweise die gelingende Integration von Geflüchteten. Insbesondere die Zahlungsmoral von Bund und Land sorgt dafür, dass die AWO am Niederrhein mit Eigenmitteln in Vorleistung gehen muss, um die Angebote aufrechterhalten zu können. „Das Geld, das wir als Eigenleistung eingebracht haben, fehlt uns Leistungserbringern an zahlreichen anderen Stellen und stellt viele Träger vor enorme finanzielle Herausforderungen“, appellierte daher AWO Bezirksvorstand Michael Rosellen Ende Oktober 2024 an die öffentliche Hand, endlich die Gelder fließen zu lassen.
Apropos Michael Rosellen. Seit dem 1. August 2024 leitet er gemeinsam mit Kerstin Hartmann als Vorstand die Geschicke des AWO Bezirksverbands Niederrhein. Ein Wechsel im Vorstand, der sich seit geraumer Zeit abzeichnete und mit dem Abschied von Ex-Vorstand Jürgen Otto in den wohlverdienten Ruhestand nach 39 Dienstjahren vollzogen wurde. Personelle Veränderungen gab es auch im Präsidium des Bezirksverbandes. Auf der turnusgemäßen Bezirkskonferenz wurde das Aufsichtsgremium neu gewählt und besteht nunmehr aus der wiedergewählten Präsidiumsvorsitzenden Britta Altenkamp (KV Essen), die durch Elisabeth Müller-Witt MdL (KV Mettmann), den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen Klaus Wehling und durch Uwe Hesse (KV Essen). Zudem gehören Anja Lohkamp (KV Wuppertal), Rainer Bischoff (KV Duisburg), Norbert Bude (KV Mönchengladbach), Klaus-Peter Flintrop (KV Viersen), Klaus Kaselofsky (KV Mettmann), Stephan Käsgen (KV Düsseldorf), Johannes-Adam Palm (AWO im Rhein-Kreis Neuss), Dr. Gregor Prumbs (KV Krefeld), Günter Scheib (KV Mettmann) und Marcel Geratz für das Bezirksjugendwerk der AWO Niederrhein dem Präsidium an. Unter dem Motto „Sozialstaat stärken. Demokratie schützen“ verabschiedete die Bezirkskonferenz auch zahlreiche Anträge, die das soziale Profil des Bezirksverbands weiterschärfen.
Zum inhaltlichen Profil des Bezirksverbands gehörte auch 2024 weiterhin die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Das Land in dem wir leben möchten“. Das Format bot unter anderem einen passenden Rahmen, um das Für und Wider von Parteienverboten zu diskutieren. In Hilden zogen Prof. Dr. Frank Decker (Uni Bonn) und der ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty nach einer spannenden Diskussion das Fazit, dass ein Parteienverbot die Demokratie schützen kann, Rechtsextremismus aber nicht bekämpft.
Während Formate fortgeführt wurden, mussten wir uns aber auch von geliebten Projekten verabschieden. So zum Beispiel von unserem Modellprojekt „Transformation erleben – Digitalisierung passgenau gestalten“. Drei Jahre lang haben wir mit den teilnehmenden Kreisverbänden dort Transformation erlebt und Digitalisierung passgenau gestaltet. Zahlreiche Erkenntnisse und unzählige Erfahrungen wurden in dieser Zeit gesammelt, die in einer aufschlussreichen Abschlussveranstaltung und einem lesenswerten Abschlussbericht geteilt wurden. Allerdings konnten wir direkt ein neues spannendes Projekt ins Leben rufen, das uns ins neue Jahr begleitet. Um Mitgliederverbände langfristig zukunftsfähig zu machen und nachhaltiges Engagement zu fördern, startete beim AWO Bezirksverband Niederrhein ein Projekt mit dem Ziel, innovative Strukturen für das Engagement, aber auch für die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt zu entwickeln.
Während der Projektentwicklungsphase wurde „nebenbei“ der Internetauftritt des AWO Bezirksverbands Niederrhein grundlegend überarbeitet und erstrahlt seit Ende April im neuen Glanz. Denn nach fünf Jahren war es für www.awo-nr.de an der Zeit, sich zu erneuern und Barrieren für Besucher*innen abzubauen.
Auch wenn das Jahr 2024 viele positive Ereignisse für die AWO am Niederrhein bereithielt, mussten wir auch einen herben Verlust verkraften. Denn am 2. September 2024 verstarb der langjährige Bezirksvorsitzende Paul Saatkamp im stolzen Alter von 88 Jahren. Bis zuletzt brachte sich Paul Saatkamp als Ehrenvorsitzender des Verbandes immer wieder gestalterisch in die Arbeit der AWO am Niederrhein ein. Um seiner zu Ehren soll im kommenden Jahr das AWO Seniorenzentrum Moers-Schwafheim nach ihm umbenannt werden.
Freiwilligendienste/Bezirksjugendwerk:
Am 29. April 2024 wurde das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) 60 Jahre alt. Diese sechs Jahrzehnte stehen für Solidarität und die Stärkung demokratischer Strukturen durch partizipatives Engagement. Doch das Jubiläum wird überschattet von der ungewissen Zukunft der sozialen Freiwilligendienste. Denn einmal mehr ist die auskömmliche Finanzierung durch den Bund nicht gewährleistet. Ein Grund für unsere Fachabteilung im ARD-Morgenmagazin Lobbyarbeit für ein Erfolgsmodell zu betreiben, das sowohl den Freiwilligen wertvolle Räume für die persönliche und berufliche Orientierung eröffnet als auch Demokratie und Zivilgesellschaft entscheidend stärkt.
„Der jährliche Streit um den Bundeshaushalt sorgt immer wieder in den Freiwilligendiensten für große Planungsunsicherheit. So lässt sich weder kontinuierlich arbeiten noch jungen Menschen eine Perspektive im freiwilligen Engagement aufzeigen“, betonte AWO Vorstand Michael Rosellen bei einem Termin mit der Bundestagsabgeordneten Sara Nanni. Sie konnte sich in der Fabrik Hilden, einer Einsatzstelle für Freiwilligendienstleiste, über die perfekte Symbiose von sozialer Einrichtung und freiwilligem sozialen Engagement überzeugen.
Am Niederrhein wurde jedoch nicht nur über den Freiwilligendienst diskutiert, sondern sich auch intensiv mit Freiwilligen ausgetauscht. So kamen beispielsweise knapp 100 Freiwilligendienstleistende bei der AWO am Niederrhein im alternativen Oberhausener Jugend- und Kulturzentrum „Druckluft“ zusammen, um im Sinne der Demokratiebildung durch Teilhabe gemeinsam die Frage zu erörtern, was das gute Leben für alle ist und Ideen für ein gerechteres, diskriminierungsfreies Leben zu entwickeln.
Das Bezirksjugendwerk der AWO Niederrhein nutzte das besondere Event, um mit den Freiwilligen nicht nur nachhaltiges Deo und Lippenbalsam herzustellen, sondern auch für den Austausch über das Ehrenamt und die Angebote des Kinder- und Jugendverbands.
Turnusgemäß kam das Bezirksjugendwerk in diesem Jahr zu seiner inzwischen 38. Konferenz zusammen und wählte unter anderem einen neuen Vorstand. Dieser wird, ebenso wie der Vorstand beim AWO Bezirksverband Niederrhein, von einer Doppelspitze bestehend aus Lucas Wandner und Andrew Kurowski geführt. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden Vertreter*innen der Kreisjugendwerke der AWO am Niederrhein gewählt, so dass die Vielfalt zwischen Ballungs- und ländlichen Räumen gut abgebildet ist.
Zudem konnte das Bezirksjugendwerk im Sommer sein 50-jähriges Jubiläum im Rahmen des Landestreffens NRW mit vielen Aktiven und Ehrenamtlichen Freund*innen feiern. Darüber hinaus wurde erfolgreich eine Jugendgruppenleiter*innen-Schulung in Gevelsberg durchgeführt und eine Gedenkstättenfahrt in Kooperation mit dem BJW Rheinland nach Berlin veranstaltet.