„Wir befinden uns in einer Negativ-Spirale, an deren Ende vor allem die Senior*innen, Klient*innen und Kinder stehen“ stellt Michael Mommer, Geschäftsführer der AWO NRW, fest. „Zeitarbeit in der Sozialen Arbeit muss wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden, sonst kollabiert das System.“
Leiharbeitsfirmen gleichen Personalengpässe aus. Was als arbeitsmarktpolitisch gelungenes Instrument begann, entwickelt sich in der Zeit des Fachkraftmangels zum Problem.
Für eine bei der AWO in NRW festangestellte Pflegefachkraft fielen gemäß Tarifvertrag AWO NRW im Jahr 2022 durchschnittliche Personalkosten in Höhe von ca. 62.500 Euro an. Musste diese Pflegefachkraft bei einer Zeitarbeitsfirma eingekauft werden, entstanden dadurch Kosten für den Träger in Höhe von ca. 106.000 Euro. Eine Differenz von gut 40.500 Euro zugunsten der Zeitarbeitsfirma – bezahlt aus öffentlichen Geldern von Bund und Land sowie den Pflege- und Krankenkassen und aus Trägermitteln. Für Leiharbeitende in der Eingliederungshilfe fallen die Mehrkosten für Fremddienstleister bisweilen sogar um 260 Prozent höher aus als für das eigene Personal. Der Gewinn für die Zeitarbeitsfirma ist gleichzeitig ein Verlustgeschäft für die Träger der Angebote, denn die Mehrkosten einer Leiharbeitskraft werden bei der Refinanzierung nicht anerkannt. Geld, das den Trägern der Wohlfahrtspflege fehlt, um ihre Angebote bereitzustellen und qualitativ und quantitativ weiterzuentwickeln. Für Mommer ist das ein Unding. „Durch die überhöhten Kosten der Leiharbeit fließt „gemeinnütziges Geld“, das den Menschen in den Einrichtungen und den KITA-Kindern zugutekommen müsste, in den privatkapitalistischen Markt, es dient nicht der Allgemeinheit sondern lediglich der Gewinnmaximierung gewerblicher Unternehmen“.
Auch beim Wettbewerb um Fachkräfte haben die freien Träger im Vergleich mit Zeitarbeitsfirmen oft das Nachsehen. Aufgrund der genannten Überschüsse konkurrieren diese mit Boni und selbstbestimmteren Arbeitszeiten. Doch damit ist keine Pflege, Bildung und Eingliederung zu machen. Während Leiharbeitsfirmen ihren Mitarbeitenden attraktive Arbeitszeiten ermöglichen, müssen die anstrengenden, familiär wenig kompatiblen Randzeiten wie Nacht- und Wochenenddienste weitestgehend vom Stammpersonal der Träger gestemmt werden.
Während die soziale Arbeit unter einer zu unzureichenden Finanzierung durch die öffentliche Hand leidet, wird so mit öffentlichen Mitteln ein Markt finanziert, der rein kapitalistisch funktioniert. Der AWO Landesgeschäftsführer appelliert: „Die AWO in NRW würde ihren Beschäftigten nur zu gerne die gleichen Arbeitsbedingungen bieten und die gleichen Benefits offerieren, wie Zeitarbeitsfirmen dies tun. Dafür fehlen ihr, wie den anderen freien Trägern, aber die finanziellen Mittel. Wir fordern von der Bundes- und Landespolitik Maßnahmen gegen den akuten Fachkraftmangel, eine Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten in den Pflegschulen und Berufskollegs und eine Ausbildungsumlage für Zeitarbeitsfirmen in der sozialen Arbeit. Wir fordern klare Regeln zur Begrenzung der Leiharbeit in der öffentlichen Daseinsfürsorge und eine bessere Finanzierung der sozialen Arbeit durch die öffentliche Hand, um Mitarbeitenden das bieten zu können, was Sie für ihre Arbeit verdienen.“