„Wenn die jungen Menschen einen Staat erleben würden, der ein gut ausgestattetes, chancengerechtes Bildungssystem vorhalten würde, dann könnte man fragen, ob ein Pflichtdienst sinnvoll ist. Stattdessen erleben die jungen Menschen einen Staat, der ihnen wenig Respekt in Form von nicht auskömmlich finanzierten Kitas und schlecht ausgestatten Schulen entgegenbringt. Auch das stärkere Miteinander im Land ermöglicht er ihnen nicht, wenn er Kinder und Jugendliche ihrer Armut überlässt“, kommentiert Britta Altenkamp mit Blick auf das unwürdige Gezeter rund um die Einführung der Kindergrundsicherung. „Diese Versäumnisse, die junge Menschen in ihrer ganzen Biografie erleben, kann man doch nicht mit einem Pflichtdienst auffangen. Schon gar nicht in drei Monaten“, so Britta Altenkamp kopfschüttelnd und erwartet, dass „diese Bundesregierung die parlamentarische Sommerpause nutzt, um Probleme zu lösen, statt neue zu schaffen.“
„Wenn die Bundesregierung die Mittel für die Freiwilligendienste im nächsten Jahr um fast 24 Prozent kürzen will und damit jeden vierten Platz für dieses wichtige Lern- und Orientierungsjahr gefährdet, kann doch die Forderung nach einem Pflichtdienst nicht wirklich ernst gemeint sein“, hinterfragt Jürgen Otto, Vorstand beim AWO Bezirksverband Niederrhein, die SPD-Pläne. „Mit dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) und dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) haben wir funktionierende Programme, in denen motivierte junge Menschen auf Menschen treffen, die Unterstützung benötigen. Anstatt über Pflichten für Unmotivierte zu diskutieren, sollten wir BFD und FSJ attraktiver machen, um das soziale Miteinander zu stärken“, erwartet Jürgen Otto: „Das wird allerdings nicht über Mittelkürzungen erreicht, sondern beispielsweise durch eine deutliche Taschengelderhöhung oder kostenfreie Busse und Bahnen für FSJler*innen.“ Gleichzeitig fragt sich Jürgen Otto, „ob sich überhaupt jemand Gedanken darüber gemacht hat, wo die Gelder herkommen sollen, um mehrere hunderttausend junge Menschen sinnvoll einzusetzen, in ihrem Arbeitsbereich anzuleiten und zu betreuen, wenn schon jetzt die Mittel nicht ausreichen, um die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege auskömmlich zu finanzieren.“