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AWO Bezirksverband Niederrhein e.V. | Detail

Ein Parteienverbot kann die Demokratie schützen, Rechtsextremismus aber nicht bekämpfen

Verband

Auf Einladung des AWO Bezirksverbands Niederrhein kamen in der AWO Fabrik Hilden zahlreiche interessierte Gäste zusammen, um mit ausgewiesenen Expert*innen das Für und Wider von Parteiverboten und die Handlungsmöglichkeiten der wehrhaften Demokratie im Kampf gegen Verfassungsfeinde zu diskutieren. Die anregende Diskussion machte eins deutlich: Ein Parteiverbot kann die Demokratie zwar schützen, Rechtsextremismus aber allein nicht bekämpfen.

„Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist politisch klug“, gab Prof. Dr. Frank Decker (Politologe an der Uni Bonn) zu bedenken und begründet seine Auffassung, warum Rechtsextremismus und Rechtspopulismus nicht allein durch ein Parteienverbot bekämpft werden können. Genauso wichtig sei es, die Wurzeln rechter Einstellung zu bekämpfen, indem die Politik sich beispielsweise besser erklärt oder auch durch demokratieerweiternde Maßnahmen die Wahlberechtigten in politischen Prozessen mitnimmt. Einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie könnten zudem politische Bildungsarbeit durch die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung leisten, die dafür aber auch über die finanziellen Möglichkeiten verfügen müssten. Gleichwohl betonte der Politikwissenschaftler, die Notwendigkeit dafür zu sorgen, „dass demokratiefeindliche Parteien ihre demokratischen Rechte nicht zum Kampf gegen die Demokratie nutzen können.“ Darum sei es neben der politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gleichzeitig wichtig, Beweise für ein möglichen Verbotsfahren zu sammeln. 

Eine Herangehensweise, die sich auch der ehemalige nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty anschließen konnte und vorschlug, dass die besten Verfassungsjurist*innen eine Klageschrift mit Beweismaterialien aus den Verfassungsschutzämtern entwerfen sollten. „Und wenn das Ergebnis ist, die AfD ist verfassungsfeindlich, dann muss der Antrag gestellt werden“, so der SPD-Landespolitiker: „Auch wenn die Justiz, wie zuletzt das Oberverwaltungsgericht Münster, die AfD als Verdachtsfall einschätzt, ist ein Verbotsantrag nicht gleichbedeutend mit einem Verbot. Denn darüber entscheidet am Ende das Bundesverfassungsgericht.“ Gleichzeitig müsse weiterhin die harte politische Konfrontation mit den rechten Verfassungsfeinden gesucht werden. Dabei müsse aber niemand über jedes Stöckchen springen, was die AfD hinhält, „aber wenn es beispielsweise um Grundrechte, Menschenrechte, Frauenrechte, Asylrecht geht, muss man die Konfrontation suchen.“

Britta Altenkamp (Präsidiumsvorsitzende des AWO Bezirksverbands Niederrhein) betonte, „dass es in der aktuellen Diskussion auf allen Ebenen jetzt nicht darum gehen darf, das Ziel eines Verbotsverfahren vorwegzunehmen, sondern sachlich die Frage zu diskutieren, ob genug Beweise zusammenkommen, die ein Verfahren mit Erfolgsaussicht ermöglichen.“ Dabei könne die AWO nur bedingt hilfreich sein. Gefordert sei der politische Wohlfahrtsverband aber, „um durch politische Bildungsarbeit rechtes Gedankengut abzubauen und die demokratische Grundhaltung wieder fester zu verankern“, so Britta Altenkamp. Dafür sei die wertegebundene AWO als wichtiger Teil der Zivilgesellschaft nun mitverantwortlich. 

Zudem waren sich alle drei Expert*innen einig, dass das Eis im Kampf gegen Rechtsextremismus in Deutschland dünner sei als über Jahrzehnte hinweg gedacht. Ein wichtiger Indikator für die Zukunft seien neben den anstehenden Landtagswahlen auch die Europawahlen am 9. Juni 2024, für deren Teilnahme leidenschaftliche Abschlussplädoyers gehalten wurden. 

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Das Foto zeigt eine Gruppe von Personen, die während einer Veranstaltung an einem Tisch stehen. Es sind vier Menschen zu sehen, die als Teilnehmende einer Podiumsdiskussion hinter einem mit einer weißen Tischdecke bedeckten Tisch stehen. Im Hintergrund befindet sich ein Banner mit dem Text “A 100 Jahre AWO. 100 Jahre Antworten” und es gibt weitere Dekorationen wie weiße Vorhänge und Blumen, die zu einer offiziellen und festlichen Atmosphäre beitragen.
Moderator Michael Rosellen, Britta Altenkamp (Präsidiumsvorsitzende AWO Bezirksverband Niederrhein), Prof. Dr. Frank Decker (Uni Bonn) und der ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (v.l.n.r.) diskutierten in Hilden über ein mögliches Verbotsverfahren der AfD.